Norwegen – Ankommen in den Lyngen Alps

121 km

Nach zwei Tagen auf dem Campingplatz zog es uns weiter. Unser Ziel war der Norden – erst einmal… Wir liessen Tromsø und sein geschäftiges Treiben hinter uns. Mit immer mehr Entfernung zur Stadt, beruhigte sich der Verkehr und die Strassen wurden enger und holpriger. Mit maximal 80 km/h – meistens sind es deutlich weniger – hat man zumindest als Beifahrerin Zeit die Landschaft zu geniessen. Der stahlblaue Himmel versprach Sommerwetter und liess die Temperatur bereits wieder deutlich über 25°C steigen. Auf dem Weg entdeckten wir ein Bistro was von Aussen nicht wirklich einladend wirkte. Aber der Besuch hat sich definitiv gelohnt. Fish and Chips mit fangfrischem Fisch und vor allem sehr gutem Kaffee – und das alles vor einer traumhaften Kulisse. Das Bubba Bistro ist sehr zu empfehlen.

Bald hatten wir unseren Schlafplatz gefunden. Mit sehr wenigen menschlichen Nachbarn, nur Berge und Meer. Vor sechs Jahren waren wir bereits hier. Jedoch war uns der Genuss der Landschaft nicht so richtig vergönnt, brüteten doch damals gerade Küstenseeschwalben direkt vor unserer Nase. Wer diese kleinen, flinken Vögel kennt, weiss was es heisst ihnen während der Brutzeit zu Nahe zu kommen. Sie zählen zu einer der aggressivsten Seeschwalben und sind extrem angriffslustig. Dieses Jahr jedoch sind die Küstenseeschwalben nicht hier – und generell haben wir den Eindruck, dass dieser kleine Giftzwerg dieses Jahr deutlich weniger anzutreffen ist. Ob das an dem noch einmal späten Wintereinbruch hier in Nordnorwegen liegt?

Norwegen – Ankunft in Tromsø

Eigentlich sollten wir bereits am 27. Juni in unseren lang ersehnten Urlaub nach Norwegen aufbrechen. Doch keine 12 Stunden vor unserem Abflug erteilt uns SAS eine Abfuhr und unser Flug wird storniert. Ein herber Schlag, wussten wir stundenlang nicht wie und ob wir überhaupt nach Norwegen kommen würden. Doch SAS buchte uns noch in der selben Nacht um – auf einen Tag später zwar – aber wir waren froh überhaupt einen Flug zu bekommen.

Früh Morgens starteten wir bei kühlen 12°C und Nieselregen mit Lufthansa Richtung Norden.

Als wir den Flieger in Tromsø verliessen, empfingen uns sommerliche, windstille 28°C. Das hatten wir so nicht erwartet und auch noch nie so erlebt.

Kurze Zeit später sassen wir jedoch bereits in unserem gemieteten VW Büssli. Ein etwas in die Jahre gekommener aber sympathischer VW Bus Marke Eigenausbau von Arctic Campers.

Wir steuerten unseren gewohnten Campingplatz im Nordosten von Tromsø an um erst einmal anzukommen, uns einzurichten und zur Ruhe zu kommen.

Die Hitze machte uns etwas zu schaffen. Es war brütend heiss – in der Nacht und auch am nächsten Tag. Schatten fanden wir kaum und im Camper war es noch heisser. Wir versuchten einen Plan für unsere nächsten Tage aufzustellen. Zumindest wussten wir irgendwann wo wir als nächstes hin möchten. Thierry Andreoli – ein Fotograf aus der Schweiz der zufälliger Weise neben uns mit seinem VW Camper stand, stellte sich dabei als sehr guter Reiseratgeber heraus und half uns damit auch etwas bei unserer Entscheidung.

Am Abend schlug das Wetter um. Man möge uns für verrückt erklären – aber wir schickten ein Dankesgebet an Den- oder Diejenige welche/r für das Wetter auch immer verantwortlich ist. Es kühlte endlich ab, der typische norwegische Wind begann sein Lied zu singen und brachte damit auch den Duft und die Farben zurück. Jetzt waren wir hier – angekommen im wunderschönen und imposanten Norwegen.

Norwegen im Winter – Tromsø

Es ist Ende Februar. Zu Hause sind es bereits zweistellige Tagestemperaturen und morgens holen einem die Vögel mit ihrem Singsang aus den Federn. Aber nicht so im hohen Norden Norwegens. Tromsø ist unser Ziel.

Flug nach Tromsø

Tromsø liegt 350 Kilometer nördlich des Polarkreises und ist die größte Stadt Nordnorwegens. Hierher kommen vor allem Reisende, die sich einen Blick auf das Nordlicht erträumen. Die Saison für das Naturspektakel dauert von September bis März. Aktuell sehen wir davon genau nichts. Es ist bewölkt, immer wieder Schneeregen der einem durch den starken Südwind wie Nadelstiche ins Gesicht peitscht. Unwirklicher kann es gar nicht sein. Und trotzdem hat es seinen Reiz. Oder genau deswegen ?

Auffallend: Ist es bei uns zu Hause bewölkt, stürmisch mit Schneeregen und man entschliesst sich eine Runde durch die Strassen zu laufen, dann hat man den grössten „Spinner-Stempel“ auf der Stirn und wird argwöhnisch angeschaut…Hafenbecken Tromsø

 

Hier ist das egal. Die Strassen von Tromsø sind von Touristen aber auch Norwegern gut gefüllt, die Cafés und Pubs sind voll besetzt, und selbst am Hafen, wo einem der Wind erst Recht um die wollbedeckten Ohren pfeift, tummeln sich auch die letzten „Verrückten“ die dem Wetter trotzen und bestaunen das Hurtigruten- Schiff, das mit lautem Hornen gerade am Pier einläuft.

PSX_20200223_160437So kalt, nass und unfreundlich sich das auch anhören mag. Diese kurzen Momente wenn der Himmel sich öffnet und ein Stückchen blau hervorlugt, ja wenn sogar ein paar Sonnenstrahlen die von festgefahrenem Schnee bedeckten Strassen erhellen, diese Momente sind die schönsten und dafür lohnt sich ein Ausflug bei widrigem Wetter vor die Türe.

3500 km durch Norwegens Norden – Senja 

senja – zweitgrösste insel norwegens – dramatische felsformationen im westen die an die lofoten erinnern und lieblich wirkende land- und waldwirtschaft im osten.

froh um unsere warme bekleidung steuern wir über tromsö die fähre nach senja an. kalter wind begleitet die ohnehin schon unruhige fähre. durchgeschüttelt kommen wir auf senja an. wir beschliessen – wie meistens – der grossen masse auszuweichen. entlang der westküste richtung süden. und wir geben den einheimischen recht, wenn sie sagen, senja sei das zweite lofoten – nur eben weniger stark frequentiert.

wir finden einen kleinen überschaubaren camping – eigentlich ist es ein fischercamp – und so packen wir die angel aus und versuchen vom pier aus unser glück. das anschliessende erlegen geht schon wesentlich leichter von der hand. glücklich und zufrieden über unseren fang kommen wir im camp an und werden von einer gruppe finnischer fischer begrüsst. das angebot uns den fisch fachmännisch zu filetieren nehmen wir gern an und bekommen oben drauf noch einen fangfrischen dorsch geschenkt. das abendessen kann kommen.

unser sehr freundlicher campwart gibt freudig auskunft über wanderrouten in der region. endlich – sonne – blauer himmel. so wachen wir früh auf und fahren wenige kilometer zum wandereinstieg.

750 höhenmeter steil bergauf. doch die grandiose aussicht auf den 3.5 km langen fjord entschädigt für die bucklerei.big-11

wir sind allein auf dem gipfel. ruhe. keine menschenseele, kein verkehrslärm, keine alltagsgeräusche. im gipfelbuch sind kaum mehr als zehn einträge – jetzt sind es zwölf.

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die letzten tage in norwegen. tromsö besuchen wir auf unserer rückkehr von senja nur für ein paar stunden. es regnet wieder einmal.

und trotz des kältesten sommers nordnorwegens (so haben es mir norweger bestätigt) waren es schöne 3500 km. die kargheit und dramaturgie der natur, die hell erleuchteten sommernächte, die gelassenheit der menschen, die kultur der sami die ihren festen platz hat… all das lässt uns wiederkommen.

noch mehr fotos aus norwegens norden findest du hier

3500 km durch Norwegens Norden – zentrale Finnmark

Am Abend testen wir unsere Neuerrungenschaft und werfen die Angel aus. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beisst endlich einer an. Ein Seelachs von gut 750 Gramm. Genug für uns beide. Die Einheimischen sagen: wer hier keinen Fisch fängt, hat vergessen die Angel auszuwerfen.

Der Teil mit dem Töten des Fanges bereitet uns grössere Mühe als gedacht… Es gehört leider dazu.

Auf unserer Weiterreise Richtung Alta, immer der Nordküste entlang, treffen wir auf Rentierherden mit ihren Jungen. Auf ihren unproportioniert, langen Beinen erwartet man beinahe, dass sie bei jedem Schritt straucheln. Mitten im Fellwechsel, gewinnen diese sonst wunderschönen, scheuen Tiere, keinen Schönheitspreis. Etwas dümmlich schauen sie uns mit grossen, dunklen Augen an, als wir im Schneckentempo an ihnen vorbeiziehen.

Unser ursprüngliches Ziel „Hammerfest“ zerschlagen wir und entscheiden uns, weiter in Richtung Nordkap zu fahren. Allerdings biegen wir als einzige einer nicht endenden weissen Caravan Kolonne von der E69 ab auf die 889.

Ich wage zu behaupten, dass wir trotz nebeligem Dauerniesel, mehr gesehen haben, als wenn wir der Kolonne gefolgt wären. Nach einer Querung durchs Hochland öffnet sich plötzlich die Landschaft. Dramatisch und mystisch hüllt der tief liegende Nebel die säumenden Berge ein. Das Meer ist dunkel und unruhig. Delfine tümmeln sich im Fjord und lassen die Szenerie noch schöner wirken. In einer kleinen Bucht mit weissem Sandstrand, den wir zwar als solchen nicht nutzen können, schlagen wir unser Nachtlager auf und beobachten Rentiere in der Ferne.

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Am nächsten Morgen stellen wir zum einen fest, dass die etwas skurrile Betonkunst vor unserer Nase auch ein WC beinhaltet. Zum anderen muss sich ein fellwechselndes Rentier unser Gefährt als ideales Reibobjekt ausgesucht haben. Zumindest zeugen Rentierhaare zu beiden Seiten des Autos davon.

Die mutmasslichen Verursacher spüren wir auch bald auf und schleichen uns gebückt an sie heran. Da stelle ich mir erstmals die Frage: können Rentiere Farben sehen? Dann sollte ich in Zukunft auf meine rote Wanderhose verzichten…

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Wir verlassen den wunderschönen Flecken Erde, kehren zurück zur Kolonne und folgen den Spuren bis zur Samenhauptstadt Karasjok. Die breite Strasse ist von dichtem Wald gesäumt und lässt nicht viel Aussicht zu. Ab und an lichtet sich der Wald und gibt moosüberzogene Gesteine frei. Holzgatter und Jurten zeugen vom Rentiertrieb im Frühjahr und Herbst. Es regnet in Strömen und an Fotografieren ist nicht zu denken. Kaum richtet man die Kamera auf, ist die Linse bereits mit unendlich vielen Regentropfen benetzt. Wir geben auf, und steuern den einzigen Camping in Karasjok an.

Der äusserst freundliche Empfang vertreibt einem die Regengedanken. Und tatsächlich. Am Abend öffnet sich der Himmel und schickt ein paar einzelne Sonnenstrahlen zu uns. In einem gemütlichen lavvo (samisches Zelt) wärmen wir uns auf mit Rentierfellen gepolsterten Holzbänken am grossen Feuer in der Mitte. Ein älterer Sami sorgt immer wieder für Nachschub an Birkenholz. Der Rauch hüllt uns ein, vertreibt die Mücken, wärmt und es duftet einfach herrlich.

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Wer glaubt, dass die Sami ein verschrobenes Nomadenvölkchen sei, der irrt gewaltig. Ich habe mir sagen lassen, dass Sami es überhaupt nicht gern haben als Exoten betrachtet zu werden. Und tatsächlich: Der Ortskern von Karasjok unterscheidet sich in keinster Weise von anderen europäischen Städten. Kinderwagen schiebende junge Mütter die sich über den neuesten Fortschritt ihres Nachwuchses unterhalten. Ältere Herrschaften mit Rollator die den vormittäglichen Einkauf erledigen. Schulpflichtige Kinder im Ferientaumel mit ihren Fahrrädern in der Fussgängerzone. Alles ganz banal und alltäglich. Keine Rentiere, keine Jurten, keine Feldwege und Trödelstände. Doch – eins fällt auf – die samische, farbenfrohe Tracht wird auch im Alltag gern getragen. Nicht sehr häufig, aber man sieht sie immer wieder.

Wir verbringen noch eine gefühlte Ewigkeit in dem grossen Parlamentsgebäude der Samen – welches auch eine Bibliothek beinhaltet – die grösste Sammlung samischer Literatur. Nicht dass mich der Blitz in der Nacht mit der Gabe getroffen hätte, samisch lesen zu können. Aber es gibt ja auch Fotobücher und tatsächlich ein deutsches Buch über samische Heilkunst. Spannend. Allein das Gebäude ist ein Besuch wert. Die Aussenfassaden werden von breiten Holzbohlen geziert. Lichtdurchflutete, endlich lange Bücherregale. Von der Decke hängen zahllose Glühbirnen, die an einen Sternenhimmel erinnern. Der samenzeltförmige Plenarsaal wird von einem riesigem blau-goldenem Kreisel eingenommen und lässt uns den Mund offen stehen. Hier debattieren und entscheiden die Sami über ihre Innenpolitik.

Die Rückfahrt Richtung Norden erleben wir diesmal zwar bei Sonnenschein, aber es ändert wenig an der landschaftlichen Tristesse von waldgesäumten Strassen…

weiter zu teil 3…

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