3500 km durch Norwegens Norden – zentrale Finnmark

Am Abend testen wir unsere Neuerrungenschaft und werfen die Angel aus. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beisst endlich einer an. Ein Seelachs von gut 750 Gramm. Genug für uns beide. Die Einheimischen sagen: wer hier keinen Fisch fängt, hat vergessen die Angel auszuwerfen.

Der Teil mit dem Töten des Fanges bereitet uns grössere Mühe als gedacht… Es gehört leider dazu.

Auf unserer Weiterreise Richtung Alta, immer der Nordküste entlang, treffen wir auf Rentierherden mit ihren Jungen. Auf ihren unproportioniert, langen Beinen erwartet man beinahe, dass sie bei jedem Schritt straucheln. Mitten im Fellwechsel, gewinnen diese sonst wunderschönen, scheuen Tiere, keinen Schönheitspreis. Etwas dümmlich schauen sie uns mit grossen, dunklen Augen an, als wir im Schneckentempo an ihnen vorbeiziehen.

Unser ursprüngliches Ziel „Hammerfest“ zerschlagen wir und entscheiden uns, weiter in Richtung Nordkap zu fahren. Allerdings biegen wir als einzige einer nicht endenden weissen Caravan Kolonne von der E69 ab auf die 889.

Ich wage zu behaupten, dass wir trotz nebeligem Dauerniesel, mehr gesehen haben, als wenn wir der Kolonne gefolgt wären. Nach einer Querung durchs Hochland öffnet sich plötzlich die Landschaft. Dramatisch und mystisch hüllt der tief liegende Nebel die säumenden Berge ein. Das Meer ist dunkel und unruhig. Delfine tümmeln sich im Fjord und lassen die Szenerie noch schöner wirken. In einer kleinen Bucht mit weissem Sandstrand, den wir zwar als solchen nicht nutzen können, schlagen wir unser Nachtlager auf und beobachten Rentiere in der Ferne.

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Am nächsten Morgen stellen wir zum einen fest, dass die etwas skurrile Betonkunst vor unserer Nase auch ein WC beinhaltet. Zum anderen muss sich ein fellwechselndes Rentier unser Gefährt als ideales Reibobjekt ausgesucht haben. Zumindest zeugen Rentierhaare zu beiden Seiten des Autos davon.

Die mutmasslichen Verursacher spüren wir auch bald auf und schleichen uns gebückt an sie heran. Da stelle ich mir erstmals die Frage: können Rentiere Farben sehen? Dann sollte ich in Zukunft auf meine rote Wanderhose verzichten…

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Wir verlassen den wunderschönen Flecken Erde, kehren zurück zur Kolonne und folgen den Spuren bis zur Samenhauptstadt Karasjok. Die breite Strasse ist von dichtem Wald gesäumt und lässt nicht viel Aussicht zu. Ab und an lichtet sich der Wald und gibt moosüberzogene Gesteine frei. Holzgatter und Jurten zeugen vom Rentiertrieb im Frühjahr und Herbst. Es regnet in Strömen und an Fotografieren ist nicht zu denken. Kaum richtet man die Kamera auf, ist die Linse bereits mit unendlich vielen Regentropfen benetzt. Wir geben auf, und steuern den einzigen Camping in Karasjok an.

Der äusserst freundliche Empfang vertreibt einem die Regengedanken. Und tatsächlich. Am Abend öffnet sich der Himmel und schickt ein paar einzelne Sonnenstrahlen zu uns. In einem gemütlichen lavvo (samisches Zelt) wärmen wir uns auf mit Rentierfellen gepolsterten Holzbänken am grossen Feuer in der Mitte. Ein älterer Sami sorgt immer wieder für Nachschub an Birkenholz. Der Rauch hüllt uns ein, vertreibt die Mücken, wärmt und es duftet einfach herrlich.

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Wer glaubt, dass die Sami ein verschrobenes Nomadenvölkchen sei, der irrt gewaltig. Ich habe mir sagen lassen, dass Sami es überhaupt nicht gern haben als Exoten betrachtet zu werden. Und tatsächlich: Der Ortskern von Karasjok unterscheidet sich in keinster Weise von anderen europäischen Städten. Kinderwagen schiebende junge Mütter die sich über den neuesten Fortschritt ihres Nachwuchses unterhalten. Ältere Herrschaften mit Rollator die den vormittäglichen Einkauf erledigen. Schulpflichtige Kinder im Ferientaumel mit ihren Fahrrädern in der Fussgängerzone. Alles ganz banal und alltäglich. Keine Rentiere, keine Jurten, keine Feldwege und Trödelstände. Doch – eins fällt auf – die samische, farbenfrohe Tracht wird auch im Alltag gern getragen. Nicht sehr häufig, aber man sieht sie immer wieder.

Wir verbringen noch eine gefühlte Ewigkeit in dem grossen Parlamentsgebäude der Samen – welches auch eine Bibliothek beinhaltet – die grösste Sammlung samischer Literatur. Nicht dass mich der Blitz in der Nacht mit der Gabe getroffen hätte, samisch lesen zu können. Aber es gibt ja auch Fotobücher und tatsächlich ein deutsches Buch über samische Heilkunst. Spannend. Allein das Gebäude ist ein Besuch wert. Die Aussenfassaden werden von breiten Holzbohlen geziert. Lichtdurchflutete, endlich lange Bücherregale. Von der Decke hängen zahllose Glühbirnen, die an einen Sternenhimmel erinnern. Der samenzeltförmige Plenarsaal wird von einem riesigem blau-goldenem Kreisel eingenommen und lässt uns den Mund offen stehen. Hier debattieren und entscheiden die Sami über ihre Innenpolitik.

Die Rückfahrt Richtung Norden erleben wir diesmal zwar bei Sonnenschein, aber es ändert wenig an der landschaftlichen Tristesse von waldgesäumten Strassen…

weiter zu teil 3…

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3500 km durch Norwegens Norden – Troms

Bis zu den Lofoten haben wir es 2011 bereits einmal geschafft. Damals noch mit meinem altersschwachen, aber treuem Opel Astra …. Er Ruhe in Frieden…. Aber es geht heute nicht um meinen damaligen vierrädrigen Freund.

Informationen über den Norden Norwegens gibt es viele – und doch keine. Ist das Reiseziel das Nordkap hat man es mit der Vorbereitung einfach. Man steuert schnurstracks auf der E6 das überall ausgeschilderte Nordkap an, um dann behaupten zu können, auf der grössten Camper-Ausstellung gewesen zu sein. Wer uns kennt, weiss, dass wir gegen den Strom schwimmen. Soll nicht heissen, dass wir genau in die andere Richtung fahren. Vielmehr weichen wir wann immer möglich, den breiten, gut ausgebauten Strassen aus und schleichen auf Nebenstrassen mit tiefen Schlaglöchern durch die Landschaft. Und siehe da: es gibt es noch, das Norwegen ohne Tourismus, ohne Detlev, Chellenger und .co. Ausser uns…

Unseren gemieteten Untersatz nehmen wir bei Tromsö entgegen. Sauber und verkehrstauglich – das hatten wir auch schon anders erlebt. Die erste Nacht verbringen wir auf einem Campingplatz unweit von Tromsö. Nett, überschaubar, hygienisch 1A und ruhig.

Nach kurzer Aklimation und Einrichtung unseres Equipments steuern wir Richtung Norden die Lyngenalpen an. Eher bekannt bei Extremskifahrern und Bergsportlern. Die schmale Strasse schlängelt sich nordwärts dem Ullsfjorden entlang. Bis zu 1834 Meter, teils noch schneebedeckte Gipfel ragen unmittelbar neben uns auf. Am Ende der Strasse geht es nur noch zu Fuss weiter – bis zu Lyngstuva – ein scheinbar von den hier Wohnhaften gern besuchter Aussichtspunkt. Jedoch wird aus unserem Ausflug nichts. Nistende und hoch aggressive Küstenseeschwalben verteidigen ihre Nester. Wer mit diesen Geschöpfen bereits Bekanntschaft machen durfte, weiss, dass Hitchcock’s „Die Vögel“ Realität werden kann… Wir schlagen unser Lager auf und geniessen die Mitternachtssonne mit Blick über den Fjord.big-1

 

Gegen 3:00 Uhr werden wir nicht nur von der stechend grellen Sonne geweckt, sondern ein Austernfischer findet es sehr amüsant auf unserem Dach nach Würmern zu picken…

Am nächsten Tag wagen wir einen kurzen Abstecher zu Fuss in die Gebirgslandschaft, entlang eines Flusses bis zu einem kristallklaren See. Dem sonnigen, beinahe windstillen Sommertag frönen allerdings auch kleine, fiese Stechmücken. Ein ruhiges Verweilen ist schier unmöglich, da man immer wieder um sich wedelt, sich auf Beine oder Arme schlägt, in der Hoffnung wenigstens eine von diesen Blutsaugern zu erlegen. Die Einsamkeit und Ruhe ist trotzdem einmalig.

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Unsere Weiterfahrt bringt uns bis zum Jökelfjord. Die Grenze zur Finnmark. Ein an sich unspektakulärer Fjord, insofern man nicht bereit ist, die 4 km bis zum Öksfjordjökelen – einem ins Meer ragenden Gletscher zu laufen. Der kurze aber von Wurzeln und Steinen übersäte Weg führt entlang des Fjords bis zu einem Aussichtspunkt, mit Grill- und Sitzplatz. Bei beinhae sommerlichen Temperaturen machen wir Rast, lassen unsere Blicke über den Fjord und den türkisblau schimmernden Gletscher schweifen und lauschen gebannt dem Geräusch des kalbenden Gletschers ausserhalb unserer Sichtweite.

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Das Wetter schlägt um. Schwere, mit Regen gefüllte Wolken schlucken das restliche Tageslicht. Und das erste Mal ist es Dunkel im Norden Norwegens.

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Trotz Bettschwere warten wir bis unsere Verabredung zum Fischen eintrifft. Bei eiskaltem, vom Wind peitschendem Regen, harren wir aus und nach weniger als 20 Minuten halten wir einen schönen Seelachs in den Händen. Sie schenkt uns den Fang – sozusagen als Belohnung für unser Durchbeissen.

Fischen im offenen Meer gehört in Norwegen sozusagen zum Jedermannsrecht. Und die Verlockung, am Abend fangfrischen Fisch auf dem Teller zu haben, treibt uns in den nächsten Supermarkt zum Angel kaufen. Es muss ja nicht gleich ein Hightec-Teil sein.

weiter zu teil 2…

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